Vom Morphin zur Substitution: Die historische und gesellschaftliche Kontroverse zur Substitution Opiatabhängiger (German Edition) by Haller Gerhard
Autor:Haller, Gerhard
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Diplomica Verlag GmbH 2012
veröffentlicht: 2012-01-31T16:00:00+00:00
Weiterhin räumt er aber auch ein: „Dabei wird selbstverständlich nicht geleugnet, dass es Menschen gibt, die unter der Verstrickung in zwanghafte und exzessive Gebrauchsformen und den daraus bedingten psychischen Störungen leiden oder selbstmedikativ Drogen zur Linderung von Beschwerden einsetzen und insofern kompetente Hilfe benötigen.“115
Der traditionelle Ansatz in der Drogenhilfe orientiert sich an der sog. Leidensdrucktheorie. Danach wird ein Drogenabhängiger erst dann motiviert sein, aus seiner Sucht „auszusteigen“, wenn die Lebenssituation als qualvoll und ausweglos erlebt wird. Der bis in die 90er Jahre alleingültige „Königsweg: durch Langzeittherapie zur Abstinenz“ basiert auf dieser Annahme: Wenn die Betroffenen dieses Hilfemodell nicht aufsuchen oder annehmen, ist der Leidensdruck nicht stark genug und der Klient zu wenig motiviert. Hilfsangebote, die dem Abstinenzparadigma nicht entsprechen, wurden in diesem Konzept als Methode der Suchtverlängerung abgelehnt. Dies war und ist z. T. immer noch das Hauptargument.
Ein mir bekannter, in der Drogenarbeit langjährig erfahrener Sozialarbeiter, Dieter P. äußerte sich in diesem Zusammenhang wie folgt:
In der oft als „Glaubenskrieg“ bezeichneten Kontroverse um eine Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen „powerten“ am Beispiel Berlins die Träger der Einrichtungen, wie „Daytop“ und „Tannhof“, die Selbsthilfeorganisation „Synanon“ und das „Drogenreferat“ der Stadt gegen die Ermöglichung der Methadonbehandlung. Diese würde, wie gesagt als eine suchtverlängernde Maßnahme angesehen. Ein Wegkommen vom Abstinenzparadigma sei mit einem „Aufgeben der Süchtigen“ gleichgestellt. Substitutionsgegner seien zudem die Ärztekammern und nahezu die Gesamtheit der Ärzteschaft gewesen. Gegner wie Befürworter von Methadon argumentierten in dieser Kontroverse mit der Menschenethik. Es gehe um die Frage, ob die Verabreichung bzw. die Verhinderung von Substitutionsmitteln als ein menschenwürdiger Umgang mit Heroinabhängigen zu vertreten sei.
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